Der Kasperli sucht Regenbogentränen

Statt Trauer von den Kindern fernzuhalten, solle man sie zulassen und kindergerecht aufarbeiten, finden Marianne und Stefan Lobsiger. Zu diesem Zweck haben sie eigens ein Kasperlitheater entwickelt. Am kommenden Sonntag ist Uraufführung.

Es muss nicht unbedingt der Tod der Grossmutter oder des Grossvaters sein. Kinder können auch bei einem Wegzug von der vertrauten Umgebung Gefühle des Verlusts und der Trauer erfahren, beim Tod eines Haustiers oder bei einer Ehescheidung. Die Gefühlspalette von traurig bis wütend mit oberflächlichen Redensarten unter Verschluss zu halten, erachten Marianne und Stefan Lobsiger aus Oberburg als den falschen Weg. «Wenn man sagt, es sei alles in Ordnung, der Grossvater schlafe nur, und das Kind von der Beerdigung fernhält, erreicht man damit womöglich nur, dass es Angst vor dem Einschlafen bekommt – und vor allem Angst, wie der Grossvater nicht mehr aufzuwachen», sagt Marianne Lobsiger.

Deshalb gelte auch für Kinder: Der Trauer freien Lauf lassen, die Gefühle verarbeiten. Allerdings reagiere man als Bezugsperson bei Kindern vielfach hilflos, wisse nicht so recht, wie man ihnen die Zusammenhänge altersgerecht und schonend erklären solle. Für Erwachsene gebe es Trauerseminare und Gesprächsgruppen, aber für Kinder seien entsprechende Angebote dünn gesät. Hier springen Lobsigers in die Bresche – mit einem Kasperlitheater. Es basiert auf einem Buch von Jorgos Canacakis und Annette Bassfeld-Schepers und heisst «Der Chaschperli uf der Suechi nach de Rägebogeträne». Seppli und die Prinzessin Apfelblüte haben beide dasselbe Problem: Sie sind traurig, er, weil sein Vater als Pirat auf den Weltmeeren umhersegelt, sie, weil sie ihre Mutter früh verloren hat. Also lassen sie sich von einem Zauberer die Tränen wegzaubern – und merken zu spät, dass ihnen dabei auch alle anderen Gefühle abhandengekommen sind. Also machen sie sich mit Kasperli auf den Weg, erleben allerlei Abenteuer und finden zuletzt auch ihre Gefühle wieder – in Form der vielgestaltigen Regenbogentränen.

Angebot auch für die Schule

«Tränen gehören ebenso zu einem intakten Gefühlsleben wie Freude, man soll sie nicht verdrängen», betont Marianne Lobsiger. Diese Erkenntnis will das Ehepaar mit seinem Kasperlitheater den Kindern, ihren Eltern und anderen Erziehungspersonen spielerisch nahebringen. Nach der öffentlichen Uraufführung am Sonntag soll es definitiv losgehen: Lobsigers bieten an, das Stück in Kindergruppen, Kindergärten und Schulen sowie auf Wunsch auch in ihren Räumlichkeiten in Oberburg vorzuführen. Dazu Marianne Lobsiger: «Das Stück richtet sich nicht nur an unmittelbar betroffene, sondern an alle Kinder, denn man sollte das Thema auch im gewöhnlichen Alltag gelegentlich aufgreifen, wenn sich eine Gelegenheit dazu bietet.»

Dass ausgerechnet Marianne und Stefan Lobsiger (beide 46) auf die Idee eines therapeutisch-pädagogischen Kasperlitheaters gekommen sind, ist kein Zufall.Sie ist Lehrerin, Katechetin, Ritualbegleiterin und weitergebildet in analytischer Psychologie, er Gartenbau- und Bestattungsunternehmer sowie Trauer- und Ritualbegleiter. Zusätzlich zur Lobsiger Gartenbau AG betreibt das Ehepaar seit einem Jahr auch das Bestattungsunternehmen L-AVA, das den Themenkreis rund um Tod, Beisetzung und Abschiednehmen ganzheitlich abdeckt. Vor diesem Hintergrund ist, als spezielles Angebot für Kinder, die Idee mit dem Kasperlitheater gewachsen.

«Denkbar wäre auch, das Stück zum Beispiel in einem Altersheim zu spielen», sagt Stefan Lobsiger. Um gleich anzufügen: «Natürlich nicht in der Form eines Kinderstücks – man müsste es entsprechend anpassen.» Was aber durchaus eine Option sei, denn Trauer und Verlust gelte es individuell anzugehen.

Hans Herrmann «Der Chaschperli uf der Suechi nach de Rägebogeträne»

Sonntag, 6. November, 15 Uhr, Krieggasse 18, Oberburg.
Anschliessend Kaffee und Gugelhopf.

bernerzeitung.ch/region/Der-Kasperli-sucht-Regenbogentraenen

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.